Bassetthorn – Krisen sind Zeiten zur Veränderung
Noch immer ist Corona-Zeit
Seit Mitte März 2020 sind wir Musiker praktisch in einem Dauer-Lockdown. Das heißt für uns, keine Konzerte und keine Einnahmen. Nach der Produktion der CD „Klezmer Pastorale“ mit meiner Band „Ensemble Noisten“ im Mai 2020 ließ ich meine Klarinetten generalüberholen. Als ich meine Instrumente im Topzustand wieder abholte, erzählte mir mein Instrumentenbauer, er habe ein neues Bassetthorn in Arbeit. Ich war interessiert. Noch nie hatte ich ein Bassetthorn in der Hand gehabt, geschweige denn geblasen.
Ende Dezember 2020 war es dann soweit und ich konnte das fertige Instrument abholen. Ich war von Klang und Handhabung so inspiriert, dass ich unter Einbeziehung aller knappen, finanziellen Möglichkeiten, dieses Bassetthorn gerade jetzt erworben habe. Seitdem probiere ich es hoch motiviert aus. Ich brenne auf den Neustart der Kultur; ich brenne darauf, auch neben meiner Klarinette und Bassklarinette mit meinem neuen Instrument tolle Konzerte zu spielen. Krisen erfordern Mut.
Bassetthorn – Stimmlage, Stimmung, Tonumfang
Das Bassetthorn, erstmals erbaut um 1760, ist ein Instrument der Klarinettenfamilie. Diese umfasst die Es-, Bb- und A- Klarinette, sowie das Bassetthorn, die Bass- und die Kontrabassklarinette. Stimmlich liegt das Bassetthorn zwischen Bb- (Sopranstimme) und Bassklarinette. Man könnte sie auch als Altklarinette bezeichnen.
Gestimmt ist das Bassetthorn auf dem Ton F, das heißt: Das F des Bassetthorns klingt wie das C auf dem Klavier. Diese Information ist zum einen entscheidend, um die einzelnen Töne auf den Klappen der Klarinetten-Applikatur wieder zu finden, zum anderen ist sie bedeutend für das Zusammenspiel mit Band oder Orchester. Der Tonumfang des Bassetthorns reicht notiert (auf die Notation bezogen) vom kleinen C bis zum viergestrichenen D, real (auf das Instrument bezogen) vom großen F bis zum dreigestrichenen G. Er umfasst also vier Oktaven plus einen Ton.
Bassetthorn – Wortstamm
Woher kommt die Bezeichnung Bassetthorn?
Lassen Sie uns die Wörter „Bassett“ und „Horn“ getrennt voneinander betrachten. Das Wort „Bassett“ kommt aus dem italienischen und heißt „ein bisschen Bass oder kleiner Bass (Bässchen). Zur Bezeichnung „Horn“ gibt es mehrere Theorien:
– Die frühesten Bassetthörner waren wie ein Horn halbkreisförmig gebogen,
– mit Leder umwickelt wie das Jagdhorn oder Zink,
– ihr Klang erinnert in der Tiefe an ein Horn.
Bassetthorn: Geschichtliche Einordnung und Klang
Das wohl berühmteste und für mich wunderbarste Klarinettenkonzert der Klassischen Musik ist und bleibt das Klarinettenkonzert A – Dur KV 622 von W. A. Mozart (1756 – 1791). Doch komponiert hat er es eigentlich nicht für die Klarinette, sondern für das Bassetthorn.
Mozart liebte das Bassetthorn, er liebte den dunklen, melancholischen fast mystischen Klang, war ergriffen von seinem zarten Timbre, gleich der menschlichen Stimme. Dies liegt vor allem an der klarinettentypischen Bohrung, die im Verhältnis zur Länge des Instruments dann doch extrem eng wirkt. Dennoch fand das Instrument nicht den Weg ins Sinfonie-Orchester des 19. Jahrhunderts. Der Grund: Die technische Weiterentwicklung des Bassetthorns hielt nicht recht Schritt mit dem Gang der Geschichte. Seine Ansprache war noch launischer, die Intonationsprobleme waren noch größer als bei der Klarinette. Das Instrument galt als verhältnismäßig schwer zu greifen, weil die ständig verbesserte Klarinetten-Applikatur nicht automatisch für das Bassetthorn übernommen wurde. Hinzu kam, dass der Klang des Bassetthorns grundsätzlich zu leise fürs romantische Orchester war.
Erst die Komponisten des 20. Jh. wie z.B. Karl Heinz Stockhausen (1928 – 2007) in seiner Oper „Licht“ oder Bernd Alois Zimmermann (1918 – 1970) haben das Bassetthorn für ihre Musik wiederentdeckt. Im Bereich des Jazz oder der Improvisation verwendet nach meinen Kenntnissen nur der italienische Klarinettist Gianluigi Trovesi das Bassetthorn. Im Bereich Klezmer-Weltmusik ist dieses Instrument bisher kaum zum Einsatz gekommen. So sind musikalische Experimente gefragt. Ich bin neugierig, die vielen klanglichen Möglichkeiten meines neuen Instrumentes, dem Bassetthorn, auszuloten.
Quelle: Hans Jürgen Schaal – Das Bassetthorn, Klang der melancolie